Wenn ein Familienmitglied plötzlich zu einem Pflegefall wird, ist dies nicht nur für den oder die Betroffene ein Schock, sondern auch für die Familienangehörigen.
Es gilt, denn Alltag möglichst rasch so zu organisieren, dass man wieder von einem Alltag sprechen kann.
Vollmacht oder gesetzliche Betreuung
Zunächst ist zu prüfen, welcher Angehöriger für das pflegebedürftige Familienmitglied handeln kann – falls dieses selbst dazu nicht mehr in der Lage ist. Am besten ist die Situation, wenn der oder die Pflegebedürftige für Angehörige entsprechende Handlungsvollmachten zur Versorgung und Betreuung vorbereitet hat. Ist das nicht der Fall, muss beim Betreuungsgericht eine gesetzliche Betreuung beantragt werden.
Antrag auf Versicherungsleistungen
Wichtig ist, einen Antrag auf Leistungen bei der Pflegeversicherung zu stellen. Entsprechende Formulare gibt es bei der Pflegekasse. Zunächst kann ein Antrag auch formlos gestellt werden.
Für den Anspruch auf Leistungen der Pflegekasse ist entscheidend, wie der Pflegebedürftige betreut wird. Wird er in den eigenen vier Wänden von Angehörigen versorgt oder kümmert sich ein professioneller Pflegedienst um die Pflege? Möglich ist auch eine Kombination.
Prüfung durch den Medizinischen Dienst
Der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) prüft durch einen Gutachter, ob die Voraussetzungen für Leistungen aus der Pflegeversicherung vorliegen. Der Gutachter kommt zu einem Hausbesuch vorbei. Er beurteilt, die Schwere der Pflegebedürftigkeit, also in welchem Umfang die Selbstständigkeit durch die Pflegebedürftigkeit aufgehoben ist. Er ordnet den Umfang der Pflegebedürftigkeit einem Pflegegrad zu.
Wie wird der Pflegegrad berechnet?
Der Gutachter des MDK prüft, in welchem Umfang der Antragsteller noch in der Lage ist, seinen Alltag selbständig zu gestalten. Im Rahmen der Begutachtung werden u.a. die vorhandenen körperlichen, kognitiven und kommunikativen Fähigkeiten bewertet. Danach wird der Pflegegrad berechnet.
Es gibt 6 Bereiche bzw. Module, die für die Berechnung des Pflegegrades entscheidend sind. Diese Module haben ein unterschiedliches Gewicht.
So wird bewertet:
Mobilität: Die Bewertung der Mobilität fließt zu 10 Prozent in die Berechnung des Pflegegrades ein.
Alltagsleben: Die Fähigkeit zur Gestaltung des Alltags und der sozialen Kontakte haben ein Gewicht von 15 Prozent bei der Berechnung des Pflegegrades.
Umgang mit Krankheit und Therapie: Die Fähigkeiten zur Bewältigung von Krankheit und die Anforderungen bei der Therapie fließen mit einem Gewicht von 20 Prozent in die Pflegegrad-Berechnung ein.
Verbleibende Selbstversorgung: Die Beeinträchtigung im Bereich der Selbstversorgung hat einen prozentualen Anteil von 40 Prozent bei der Berechnung des Pflegegrades.
Kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Beeinträchtigungen in den kognitiven und kommunikativen Fähigkeiten haben bei der Pflegegrad-Berechnung einen Anteil von 15 Prozent.
Der Gutachter des MDK gewichtet also die Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit, je nach dem Bereich, in dem sie vorhanden sind.
Dann erfolgt anhand eines Punktesystems eine Einstufung in einen der fünf Pflegegrade:
Pflegegrad 1: 12,5 bis unter 27 Punkte
Pflegegrad 2: 27 bis unter 47,5 Punkte
Pflegegrad 3: 47,5 bis unter 70 Punkte
Pflegegrad 4: 70 bis unter 90 Punkte
Pflegegrad 5: 90 bis 100 Punkte
Zusammenfassend kann folgendes festgehalten werden: Je höher die Punktzahl, desto höher der Pflegegrad. Die Bereiche, in denen einen Beeinträchtigung der Selbstständigkeit besteht, also die Bewertungsmodule, haben ein unterschiedliches Gewicht: die Fähigkeit zur eigenen Versorgung und zum Umgang mit krankheitsbedingten Behinderungen sind entscheidend.
Für einen schnellen Überblick und zur Vorausplanung steht Ihnen hier ein Pflegegrad-Rechner zur Verfügung.
Fristen
Die Pflegekasse muss hinsichtlich der Bearbeitung von Anträgen auf Leistungen der Pflegeversicherung dem Antragsteller innerhalb von 2 Wochen einen Termin zur Beratung hinsichtlich der Pflege unterbreiten. Hinsichtlich der Begutachtung durch den Medizinischen Dienst gilt eine Frist von 3 Wochen; innerhalb dieser Frist muss ein Begutachtungstermin vereinbart sein. Innerhalb von 25 Arbeitstagen ab Eingang des Antrags auf Pflegeleistungen muss die Pflegekasse über die Einstufung in einen Pflegegrad und über die Leistungen entschieden haben. Wird die Frist nicht eingehalten, gibt es Entschädigungszahlungen. Diese betragen derzeit wöchentlich 70 Euro.
Pflegegeld
Nicht immer bedeutet die Einstufung in einen Pflegegrad, dass die Pflegeversicherung auch Pflegegeld zahlt. Pflegegeld wird nur dann gezahlt, wenn die Pflege durch Angehörige oder Bekannte sichergestellt wird. Die Höhe des Pflegegeldes ist wesentlich niedriger als die sogenannte Pflegesachleistung, also das Geld, was die Pflegekasse an einen ambulanten Pflegedienst zahlt. Je nach Pflegegrad liegt die Summe des Pflegegeldes bei 316 Euro (Pflegegrad 2) bis 901 Euro (Pflegegrad 5).
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